Kein Anspruch auf vorübergehende Beschäftigung auf einem Teilzeitarbeitsplatz an einem bestimmten Arbeitsort oder auf einem Arbeitsplatz im Home-Office, auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie bzw. Pflege und Erziehung der Kinder (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG).
Sachverhalt
Ausgangspunkt des Klageverfahrens war, dass eine vollzeitbeschäftigte Sachbearbeiterin (geboren 1971) eines Versicherungskonzerns im Bereich „Privat Schaden Haftpflicht“ mit Arbeitsort in Mainz nach der Geburt ihres Sohnes und der Rückkehr aus der Elternzeit nur noch in Teilzeit (20 Wochenstunden) arbeiten konnte. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde sie am Standort Saarbrücken eingesetzt. Aufgrund einer unternehmensweiten Umstrukturierung wurde sie mit ihrem Einverständnis am Standort Mainz als Sachbearbeiterin beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien den Arbeitsort Mainz. Noch während der Elternzeit stellte sie einen Antrag auf Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden, verteilt auf montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 12:30 Uhr. Darüber hinaus verlangte sie zwingend einen Arbeitsplatz an ihrem Wohnort Saarbrücken, hilfsweise die Einrichtung eines Home – Offices. Sie befristete die Anträge zeitlich auf knapp ein Jahr.
Hintergrund der Anträge der Arbeitnehmerin ist eine emotionale Störung ihres Sohnes, die einen ganztägigen Kindergartenbesuch und damit eine Vollzeitbeschäftigung mit Pendelzeiten ausschließe. Der Sohn leide an einer ausgeprägten Trennungsangst von der Mutter (ärztlich attestiert).
Der Arbeitgeber war mit der Teilzeitbeschäftigung einverstanden, lehnte jedoch eine Verlagerung des Arbeitsortes ab.
Die Klage und das sich anschließende Berufungsverfahren der Klägerin haben keinen Erfolg.
Die Arbeitnehmerin ist der Auffassung, dass sie aufgrund der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers einen Rechtsanspruch auf vorübergehende Teilzeitbeschäftigung am Standort Saarbrücken, hilfsweise auf ein Home-Office habe. Der Arbeitgeber sei bei Abwägung der wechselseitigen Belange im Sinne des §§ 106 GewO, 315 BGB verpflichtet, ihr vermeidbare Belastungen zu ersparen und ein Nebeneinander von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus sei es dem Arbeitgeber technisch möglich und zumutbar, sie am Standort Saarbrücken dergestalt technisch einzubinden, dass sie ihre bisherige Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Bereich „Privat Schaden Haftpflicht“ ausüben könne. Hilfsweise machte sie geltend einen Anspruch auf Beschäftigung in einem Home – Office zu haben.
Begründung
Das Berufungsgericht führte aus, dass die Arbeitnehmerin ihr Klagebegehren auf befristete Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes an einem anderen Arbeitsort nicht auf die Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) oder den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen könne.
§ 8 TzBfG regele lediglich einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, nicht jedoch auf Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses nach Inhalt und Ort der Arbeitsleistung.
Auch aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten Rücksichtnahmepflicht erwachse auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie bzw. Pflege und Erziehung der Kinder (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG) der begehrte Anspruch der Arbeitnehmerin auf einen Teilzeitarbeitsplatz am Standort Saarbrücken oder in einem Home – Office nicht. Das Interesse des Arbeitgebers, die Klägerin entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung am Standort Mainz mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit einzusetzen, überwiege gegenüber dem Interesse der Arbeitnehmerin, nicht nach Mainz pendeln zu müssen.
§ 106 GewO gewährt dem Arbeitgeber ein Gestaltungsrecht. Dem Arbeitgeber wird die Möglichkeit eingeräumt Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Nur in dem Fall, dass der Arbeitgeber von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch macht, habe er bei der Ermessensentscheidung die Grundsätze der Billigkeit zu beachten. § 106 GewO regele allerdings keine Pflicht des Arbeitgebers das Direktionsrecht in der von der Arbeitnehmerin gewünschten Weise auszuüben.
In seiner Entscheidung weist das Berufungsgericht darauf hin, dass es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gebieten könne, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht Gebrauch mache und die von der Arbeitnehmerin zu erbringende Leistung innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens anderweitig derart konkretisiert, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder möglich werde, wenn er aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage sei, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtsrechts nach § 106 Satz 1 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen (BAG 19.05.2010 – 5 AZR 162 / 09). Nun
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BAGs (vgl. BAG 13.08.2009 – 6 AZR 330/08), ist aus § 241 Abs. 2 BGB jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies diene dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Im Arbeitsverhältnis könnten die Vertragspartner deshalb zur Verwirklichung des Leistungsinteresses zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein. Dazu gehöre auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrages zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen bzw. zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht könne es auch geboten sein, auf den Wunsch nach Vertragsanpassung als Reaktion auf unerwartete Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse einzugehen, insbesondere wenn andernfalls in Dauerschuldverhältnissen Unvermögen des Schuldners drohe.
Bei Anwendung dieser Grundsätze gelangt das Berufungsgericht zu der Feststellung, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht gehalten war, den Antrag der Arbeitnehmerin auf eine Änderung der vertraglichen Beziehungen zu prüfen und darüber nach Treu und Glauben zu befinden.
Das Berufungsgericht gelangt weiter zu der Feststellung, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz am Standort Saarbrücken und auch keinen Anspruch auf Beschäftigung im Home-Office habe.
Vorliegend hatte das Berufungsgericht zwei Grundrechtspositionen gegeneinander abzuwiegen. Auf der einen Seite die familiären und erzieherischen Belange der Arbeitnehmerin, die durch Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG geschützt werden. Auf der anderen Seite das Recht des Arbeitgebers auf die Gestaltung des Betriebs, dass Entscheidungsrecht des Arbeitgebers, ob und in welcher Weise er sich wirtschaftlich betätigen will. Diese Rechtspositionen ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zum wesentlichen Inhalt der freien unternehmerischen Entscheidung gehöre auch die Gestaltungsfreiheit bezüglich der betrieblichen Organisation. Sie umfasse auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnische Ziele verfolgt werden (vgl. BAG 29.03.2007 – zwei Z er 31/06).
Dem Grundrechtsschutz der Arbeitgeberin widerspräche eine Verpflichtung, der Arbeitnehmerin einen Arbeitsplatz am Standort Saarbrücken oder ein Home – Office einzurichten. Der Arbeitgeber hat seinen Betrieb so umstrukturiert, dass der Bereich, in dem die Arbeitnehmerin vor der Elternzeit beschäftigt wurde, nur noch am Standort Mainz bearbeitet wird. Im Zuge dieser Umstrukturierung haben sich die Arbeitnehmerinnen und der Arbeitgeber vertraglich darauf geeinigt, dass die Arbeitnehmerin am Standort Mainz arbeitet. Die Arbeitnehmerin hat sich damals entschieden, zwar den Arbeitsort zu wechseln, jedoch ihren Wohnort in der Nähe von Saarbrücken beizubehalten. Die von der Arbeitnehmerin behauptete Unmöglichkeit, ihre Arbeitsleistung am Standort Mainz zu erbringen, beruhe auf ihrer bewussten Entscheidung, ihren Wohnort ab 2007 nicht nach Mainz zu verlegen. Das Berufungsgericht stellte darauf ab, dass das Vereinbarkeitsproblem zwischen Mobilität und aktiver Elternzeit durch einen Umzug der Arbeitnehmerin zu lösen sei, was diese jedoch kategorisch abgelehnt habe.
Die Arbeitnehmerin könne von dem Arbeitgeber nicht verlangen, eine von diesem nicht gewollte Organisationsentscheidung zu treffen. Die Arbeitnehmerin müsse akzeptieren, dass der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die Schadenssachbearbeitung auf Mainz zu konzentrieren. Der Arbeitgeber sei deshalb nicht verpflichtet, seinen Betrieb nach den Vorstellungen und Wünschen der Arbeitnehmerin um zu organisieren. Er sei insbesondere auch nicht verpflichtet technische Vorkehrungen vorzunehmen, dass die Arbeitnehmerin ihre geschuldete Arbeitsleistung wieder am Standort Saarbrücken oder in einem Home – Office verrichten könne.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 18.12.2014, 5 Sa 378/15; Vorinstanz: Arbeitsgericht Mainz, 12.03.2014, Az: 10 Ca 1851/13